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Feinschneiden mit Hartmetallwerkzeugen

Vorher unmögliche Aufgaben werden ermöglicht und die Werkzeugstandzeit um den Faktor 15 bis 65 gesteiegert

Baugruppe bestehend aus Feinschneidteilen und Federn (Bild: Fritz Schiess AG)Computermodell eines Schneidestempels mit Spannungsverteilung (Bild: MCL)

Gefügebild eines Hartmetalls (Bild: MCL)

Werkzeugtechnik trifft Werkstoffwissen

Am Materials Center Leoben stellt die Erforschung von höchstfesten Werkzeugwerkstoffen wie Schnell­arbeitsstählen und Hartmetallen einen wichtigen Forschungsschwerpunkt dar. Ziel der Forschungen ist das Verständnis der Belastung und des Schädigungs­verhaltens von Werkzeugen in industriellen Fertigungsprozessen.

Im Projekt A5.18 ging es um die Verbesserung der Eigenschaften von Feinschneidwerkzeugen. Wie beim Keksausstechen wird beim Feinschneiden ein Stempel (Keksausstecher, siehe Bild oben) mit der Kontur des gewünschten Teiles (Keks) durch ein Stahlblech (Teig) gedrückt. Ein typisches Feinschneidteil ist die Stahlöse des Sicherheitsgurtes für das Anschnallen im Auto oder das oben gezeigte Teil für eine Rutschkupplung einer Bohrmaschine.

Um die Verformungs- und Schädigungsmechanismen in Feinschneidwerkzeugen zu verstehen, wurde im Projekt eine entscheidende Verbesserung der bisher verfügbaren Computersimulationstechnik in Bezug auf die Verformung von hochfesten Werkzeug­materialien umgesetzt. Die Entwicklung von Zugeigenspannungen im Werkzeug infolge wieder­holter plastischer Verformung der Schnittkante kann nun zuverlässig berechnet werden. Die Ergebnisse zeigen, dass der Aufbau von schädlichen Zugeigen­spannungen in Werkzeugen unterdrückt werden kann, wenn statt Stahl das wesentlich festere Hartmetall als Werkzeugmaterial verwendet wird. Dadurch verringern sich die Zugspannungen im Werkzeug und es verbleiben nur solche, die immer auftreten, wenn ein Stempel aus dem geschnittenen Stahl herausgezogen wird (siehe rote Zonen im Bild oben). Diese Zugspannungen führen vor allem dann sehr früh zu Rissbildung und Werkzeugbruch, wenn Werkzeuge nach Ihrer Herstellung zu große Ober­flächendefekte aufweisen.

In Zusammenarbeit mit Forschern aus der Fein­schneidindustrie und der Anwendung des Wissens des MCL zum Risswachstumsverhalten von hoch­festen Materialien konnte der bisher übliche Werk­zeugwerkstoff Stahl nun durch das wesentlich festere, aber auch zugempfindlichere Hartmetall ersetzt werden. Hartmetall ist der härteste Konstruktions­werkstoff der Welt, der bisher vorwiegend in Verschleißschutzanwendungen sowie für Bohrer und Fräser zur spanenden Bearbeitung von Metall und Holz eingesetzt wurde. Als Resultat des Projektes können Hartmetalle nun auch für Schnitt­matrizen von Feinschneidwerkzeugen verwendet werden.

Wirkungen und Effekte

Durch den Einsatz von Hartmetall für Feinschneid­stempel und -matrizen konnten die Prozessgrenzen beim Feinschneidprozess deutlich erweitert werden. Mit Hartmetallwerkzeugen sind heute Bleche fein­schneidbar, die mit Stahlwerkzeugen aufgrund zu großer Dicke unmöglich zu bearbeiten waren. Die Werkzeugstandzeit konnte je nach Komplexität der Bauteilgeometrie auf das 15- bis 65-fache verglichen mit Stahlwerkzeugen gesteigert werden.

Das beschriebene Projekt schafft eine effektive Umsetzung von theoretischen Konzepten direkt in produzierenden Unternehmen. Es erweitert die Werkzeugbau- und Fertigungskompetenz der teil­nehmenden Partnerfirmen und des Materials Center Leoben. Die erzielte Steigerung der Produktivität in der Feinschneideindustrie sichert Arbeitsplätze und Wertschöpfung am Hochlohn-Produktionsstandort Europa, der im weltweiten Wettbewerb steht. Die Erkenntnisse aus dem Projekt wurden in fünf wissenschaftlichen Publikationen dargestellt.

 

Projektkoordination
Dr. Thomas Klünsner
Group Leader Hard Metals
Materials Center Leoben Forschung GmbH
T +43 (0) 3842 45922 - 0
thomas.kluensner(at)mcl.at

 

Projektpartner
Welser Profile, Österreich
Fritz Schiess AG, Schweiz
CERATIZIT Austria GmbH, Österreich
Platit AG, Schweiz

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