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Neuartige Charakte-risierungs-techniken zur Modellvalidierung und Parameter-bestimmung

Hochtemperatur-Elektronenrückstreuungsbeugung und computergestützte mechanische Kriechbruchprüfung

Prüfaufbau zum Studium von Phasenumwandlungen mittels Elektronen-rückstreuungsbeugung bei 1000 °C im Rasterelektronenmikroskop.

Abb.1: EBSD-Aufnahme eines hochlegierten Stahls: a) Kristall-orientierung (inverse Polfigur-Farbkodierung) des marten-sitischen Gefüges bei Raumtemperatur, b) entsprechendes austenitisches Gefüge nach Erwärmung auf interkritische Glühtemperatur, die den Austenit-Gedächtniseffekt anzeigt, und c) spontane Rekristallisation nach weiterer Erwärmung auf die Austenitisierungstemperatur von 1000 °C.

Abb. 2: Versuchsaufbau der computergestützten bruch-mechanischen Prüfung einer CT-Probe nach ASTM E399 mit einer Dicke von 25 mm aus einem austenitischen warmfesten Stahl: (a) Prüfung bei Raumtemperatur, (b) Prüfung bei 700°C mit dem markierten Bereich für die FEM-Berechnung. Die berechnete äquivalente Kriechdehnung ist für 0,54 h (c) und 20 h (d) mit blauen Bereichen für Werte größer als 10-5 dargestellt.

Gemeinsam mit Partnern hat das Materials Center Leoben in den letzten Jahren eine Vielzahl von Materialmodellen entwickelt, um Prozess-Mikrostruktur-Eigenschafts-Beziehungen für die Entwicklung neuer Materialien, Herstellungsprozesse oder Bauteile bereitzustellen. Da die Modelle immer komplexer und genauer werden müssen, mussten auch die Charakterisierungsverfahren weiter-entwickelt werden, um diese neuen Modelle zu validieren und um Modellparameter zuverlässig zu bestimmen. Im Folgenden werden beispielhaft zwei neuartige Charakterisierungstechniken zur Modell-validierung und Parameterbestimmung vorgestellt.
Hochtemperatur-Rückstreuelektronenbeugung zur Validierung von Austenit-Kornwachstumsmodellen
Ein neues Austenit-Kornwachstumsmodell wurde entwickelt, um die Entwicklung der Austenit-Korngröße während der Austenitisierungsbehandlung eines hochlegierten Stahls vorherzusagen. Um das Austenit-Kornwachstumsmodell zu validieren und die erforderlichen Eingabeparameter zu bestimmen, wurden Hochtemperatur-Elektronenrückstreuungs-beugungs (HT-EBSD) Messungen durchgeführt. Die in situ HT-EBSD Untersuchung im Rasterelektronen-mikroskop während der Erwärmung auf Austenitisierungstemperatur, die in Abb.1 dargestellt ist, zeigt neue Phänomene für diese Stahllegierung wie den Austenit-Gedächtniseffekt (d.h. die Bildung neuer Austenitkörner während der Austenitisierung mit derselben Kristallorientierung, Größe und Form wie das vorherige Austenitkorn - Abb.1b) und die anschließende spontane Rekristallisation ohne vorherige Verformung - Abb.1c).

Die HT-EBSD-Ergebnisse ermöglichten die Bestim-mung der Anfangskorngröße (nach spontaner Rekristallisation) für das Austenit-Kornwachstums-modell und verbesserten die Vorhersage der Austenit-Korngrößenentwicklung während der Austenitisierung. Die Implementierung eines Modells für spontane Rekristallisation ist Gegenstand laufen-der Forschung.
Computergestützte Charakterisierung kriechbruch-mechanischer Materialeigenschaften bei erhöhten Temperaturen
Die Bestimmung von bruchmechanischen Eigen-schaften bei erhöhten Temperaturen ist aufgrund von weitreichender Plastizität und Kriechen in großen Teilen der Probe eine Herausforderung. Kriechen verursacht zeitabhängige Probenbedingungen (d.h. Dehnung und Spannung) und erschwert den Einsatz von klassischen elastisch-plastischen bruchmechani-schen Ansätzen. Daher wurde eine neue computer-gestützte Prüftechnik entwickelt, die die Berechnung der zeitabhängigen Probenbedingungen (z.B. äquivalente Kriechdehnung) mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) beinhaltet. Der Versuchs-aufbau ist in Abb. 2a bei Raumtemperatur und in Abb. 2b bei der Prüftemperatur von 700°C unter konstan-ter Spannung von 25 kN dargestellt. Der Bereich für die entsprechenden FEM-Berechnungen ist durch ein gelbes Rechteck hervorgehoben. Die Ergebnisse der FEM-Berechnung für die zeitabhängige äquivalente Kriechdehnung sind in Abb. 2c für 0,54 h und Abb. 2d für 20 h dargestellt. Die Kombination von Experiment und Simulation erlaubt die Charakterisierung der bruchmechanischen Eigenschaften bei Temperaturen bis 1000°C durch Korrektur der experimentellen Daten entsprechend der Kriechdehnung.

Projektkoordination (Story)
Dr. Dominik Brandl
Junior Researcher Steel Engineering
Department Materials
T +43 (0) 3842 45922 - 62
dominik.brandl(at)mcl.at

Projektpartner
• Erich Schmid Institute of Materials Science, Österreichische Akademie der Wissenschaften
• University of Maribor, Slowenien

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