Das Materials Center Leoben und der Lehrstuhl für Gesteinshüttenkunde der Montanuniversität Leoben konzentrieren sich in einem gemeinsamen Forschungsschwerpunkt auf Eigenschaften und Einsatzverhalten von Hochtemperaturkeramik. Ziel ist es dabei, geeignete Verfahren zur Prüfung von Materialkennwerten bis über 1300°C zu entwickeln und das Verständnis des Verformungs- und Bruchverhaltens grobkeramischer Produkte zu verbessern.
Kriechprozesse spielen bei vielen Materialien eine wesentliche Rolle, wenn sie bei hohen Temperaturen mechanisch belastet werden. Kriechen setzt ab ca. 20 - 30 % der Schmelztemperatur eines Werkstoffes ein. Unter Kriechen bezeichnet man die meist langsame Verformung des Materials über längere Zeit bei konstanter Last. Ein einfaches Beispiel für Kriechverformungen im Alltag kann bei einem Bücherregal beobachtet werden, welches sich im Laufe der Zeit durchbiegt und unter Umständen auch bricht.
Die Kriechverformung spielt vor allem bei Hochtemperaturprozessen eine wesentliche Rolle. Im Projekt P4.5 wurden das Hochtemperaturkriechen und das Bruchverhalten von Feuerfestmaterialien bei Temperaturen bis über 1300 °C untersucht.
Industrielle Öfen und Transportgefäße für metallurgische Anwendungen weisen oft Abmessungen von mehreren Metern aus und sind im Inneren mit Feuerfestmaterialien ausgekleidet welche den extremen Temperaturen, dem chemischen Angriff und mechanischen Lasten trotzen. Die computergestützte Berechnung der auftretenden Spannungen ist unerlässlich für die Auslegung derartiger Hochleistungsbauteile. Um möglichst genaue Berechnungen durchführen zu können sind Materialdaten für das Kriech- und Bruchverhalten bei hoher Temperatur erforderlich. Weiters werden digitale Materialmodelle benötigt, die eine Berechnung des Verhaltens der Feuerfestmaterialien und der daraus gefertigten Komponenten ermöglichen.
In enger Zusammenarbeit mit der Industrie wurden neue experimentelle Prüfverfahren entwickelt um das Kriechverhalten von Feuerfestmaterialien unter uniaxialer und mehrachsiger Belastung zu überprüfen. Mit den gewonnen Erkenntnissen aus diesen Versuchen wurden neue Kriechmodelle erstellt, die es ermöglichen, die auftretenden Spannungen in den Bauteilen mit wesentlich höherer Genauigkeit als bisher zu berechnen. Weiters wurden zur bruchmechanischen Charakterisierung Keilspalttests durchgeführt. Eine dafür verwendete Keilspaltprobe ist bei 1300 °C auf der Titelseite dargestellt. Auch Materialdaten aus diesen Versuchen wurden in Computersimulationen verwendet.
Wirkungen und Effekte
Im Projekt P4.5 wurden zukunftsweisende Erkenntnisse zu Prüfung und Simulation des Materialverhaltens von Hochtemperaturbaustoffen gewonnen. Diese Erkenntnisse werden von der Industrie bereits genutzt um Ausmauerungskonzepte von Hochtemperaturanlagen, wie z.B. im nachfolgenden Bild dargestellt, mit den neuen Materialdaten und den zuverlässigeren Computermodellen zu verbessern und die Materialentwicklung voranzutreiben. Dadurch wird die internationale Konkurrenzfähigkeit gestärkt.
Die Erkenntnisse dieses Projektes wurden in insgesamt acht Publikationen veröffentlicht, und bei vier internationalen Konferenzen präsentiert.
Projektkoordination
Priv.-Doz. DDr. Shengli Jin
Priv.-Doz. DI. Dr. Dietmar Gruber
Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl Gesteinshüttenkunde
Peter Tunner Straße 5, A-8700 Leoben
T +43 (0) 3842 402 3236
shengli.jin(at)unileoben.ac.at
Projektpartner
RHI Magnesita AG, Österreich
voestalpine AG, Österreich