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Haben Eigen-spannungen ein Ablaufdatum?

Eigenspannungen erhöhen die Ermüdungsfestigkeit von Bauteilen aus Stahl. Diese werden durch Walzverfahren in das Material eingebracht. Mit einem am MCL entwickelten Modell lässt sich berechnen, ob und wie sich die Eigenspannung von hoch belasteten Bauteilen verändert und ob ein Bruch durch eine Bauteilermüdung möglich ist.

Festwalzen einer Radsatzwelle (Quelle: Fa. Hegenscheidt)

Kurbelwellenherstellung (Quelle: Fa. Hegenscheidt)

Lebensdauererhöhung durch Walzen

Mechanische Oberflächenverfestigungsverfahren sind in vielen Bereichen des Maschinenbaus fest etabliert. So werden für eine deutliche Erhöhung der Lebensdauer zum Beispiel die Kurbelwellen von PKW-Motoren in einem der letzten Schritte der Herstellung „festgewalzt“. Festwalzen bietet eine einfache Möglichkeit, Risswachstum an Defekten zu verlangsamen oder überhaupt zu verhindern. Dabei wird eine Festwalzrolle mit hoher Kraft an die rotierende Kurbelwelle gedrückt, wodurch eine äußerst glatte Oberfläche mit Druckeigenspannungen entsteht, die eine deutlich gesteigerte Ermüdungsfestigkeit aufweist. Die Erhöhung der Ermüdungsfestigkeit der Kurbelwelle ist dabei zum Einen auf die Glättung der Oberfläche zurückzuführen, vor allem aber auf die eingebrachten Druckeigenspannungen, die durch die plastische Verformung der oberflächennahen Werkstoffschichten hervorgerufen werden. Festwalzen stellt somit ein einfaches und kostengünstiges Verfahren zur Erhöhung der Schadenstoleranz von Bauteilen durch Einbringung von Druckeigenspannungen dar.

Festgewalzte Kurbelwellen

Doch wie stabil sind solche Eigenspannungen im Betrieb? Das Materials Center Leoben ist dieser Frage gemeinsam mit den Firmen Hegenscheidt-MFD GmbH und Siemens AG Österreich nachgegangen. Bei den Untersuchungen wollten wir einen einfachen Zugang wählen, der sich einerseits für erste überschlägige Abschätzungen und andererseits auch für den Vergleich verschiedener Festwalzwerkzeuge eignet. Dazu wurden Radsatzwellen mit verschiedenen Werkzeugen nach dem Vorschubverfahren festgewalzt und anschließend die Eigenspannungsverläufe bestimmt. Zusätzlich wurden Laborproben kleinerer Abmessungen festgewalzt und einem Langzeittest bei verschiedenen Lastniveaus und unterschiedlich vielen Lastwechseln unterzogen. Anschließend wurden die verbliebenen Eigenspannungen gemessen.

Es hat sich gezeigt, dass nur bei sehr hohen Lasten, die deutlich oberhalb realer Betriebslasten liegen, ein Abbau der Eigenspannungen und damit einhergehend eine Reduktion der Ermüdungsfestigkeit erfolgt. Um dieses Wissen nun auch praktisch anwenden zu können, wurde eine auf Berechnungen gestützte und durch Versuchsergebnisse abgesicherte Faustformel entwickelt. Mit diesem Modell ist es möglich, die Stabilität der durch das Festwalzen eingebrachten Eigenspannungen während der Ermüdungsbeanspruchung vorherzusagen. Man muss sich also keine Sorgen um festgewalzte Kurbelwellen im Auto machen, denn eingebrachten Eigenspannungen halten, was sie versprechen.

Bedeutung

Als wesentliches Ergebnis dieses Kooperationsprojektes konnte ein für viele Produktionsunternehmen einfach zu handhabendes Modell erstellt werden. Mit Hilfe unseres Modells lässt sich schnell und zuverlässig abzuschätzen, ob und wie stark sich die im Material verbliebenen Eigenspannungen im Einsatz verändern und welche Auswirkung das auf die Bauteilermüdungsfestigkeit hat. Damit wird auch die Erbringung entsprechender Sicherheitsnachweise möglich.